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DGPPN-Positionspapier zur psychiatrischen Versorgung

Klinik-Sanktionen: Psychiatrische Versorgung in Gefahr

Psychische Belastungen nehmen zu, die Inanspruchnahme des Versorgungssystems steigt, die öffentliche Debatte um Behandlungsmöglichkeiten und ihre Verfügbarkeit läuft auf vollen Touren. Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie halten trotz des Fachkräftemangels und schlechter Rahmenbedingungen eine qualitativ hochwertige Versorgung aufrecht. Durch drakonische Strafzahlungen, die die Krankenhäuser ab dem 1. Januar 2024 bei Unterschreiten einer willkürlich festgelegten Personalmindestausstattung leisten müssen, wird dies gefährdet. Neue Berechnungen zeigen jetzt: Nahezu alle Kliniken in allen Regionen des Landes werden von den Sanktionen betroffen sein. Damit droht eine enorme Verknappung der Versorgungskapazitäten für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die ambulant nicht aufgefangen werden kann. Die unterzeichnenden Fach- und Betroffenenverbände fordern deshalb nachdrücklich die Streichung dieser Strafzahlungen und die Intensivierung strukturierter Reformbemühungen.

 

Die Ausgangslage

  • Psychische Erkrankungen betreffen mehr als jeden vierten Erwachsenen in Deutschland. Seelische Belastungen nehmen zu, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Der Mangel an verfügbaren Angeboten im Versorgungswesen ist ein Dauerbrenner der Medienberichterstattung.
  • Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie halten trotz Fachkräftemangel eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung aufrecht, damit Betroffenen insbesondere auch in Krisen- und Notfallsituationen rund um die Uhr eine Behandlung zur Verfügung steht.
  • Allen Beteiligten ist klar: Wie es ist, kann es nicht bleiben. Vor Ort wird nach flexiblen Lösungen gesucht und bundesweit über notwendige Reformen diskutiert. Konsens herrscht darüber, dass die notwendige Umgestaltung des Versorgungssystems evidenzbasiert und strukturiert erfolgen sollte.

 

Das Problem

  • Die seit 2020 in den Krankenhäusern geltende „Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL) hat ohne empirische Grundlage Untergrenzen für die Personalausstattung definiert. Kliniken, welche sie – auch nur temporär und in einzelnen Berufsgruppen – nicht einhalten können, müssen ab 2024 mit drastischen Strafzahlungen rechnen.
  • Aktuelle Daten und Analysen zeigen, dass diese Strafzahlungen in ihrer Höhe unverhältnismäßig, in ihrer Ausgestaltung unsachgemäß und in ihrer Wirkung unkontrolliert sind.
  • Die Strafzahlungen werden in vielen Kliniken eine Abwärtsspirale auslösen: Bettenabbau, Stilllegung innovativer Angebote, Motivationsverlust der Mitarbeitenden – bis hin zur Schließung ganzer Kliniken.
  • Dies wird Kliniken im ganzen Land betreffen und bundesweit zu einer weiteren Verknappung der stationären Versorgungskapazitäten und Überlastung der ambulanten Versorgung führen.
  • Statt die Personalproblematik zu lösen und einen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten, wird die PPP-RL zu einer Verschlechterung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen führen. Die Versorgungslandschaft steht vor einem unkontrollierten Kahlschlag, der gerade die schon heute unterversorgten Regionen treffen wird.

 

Die Lösung

  • Die überzogenen und nicht zielführenden Strafzahlungen der PPP-RL müssen in ihrer aktuellen Form gestrichen werden.
  • Wenn Mindestvorgaben nicht eingehalten werden können, müssen neben der Rückzahlung nicht genutzter Personalmittel Unterstützung, Beratung und Anreize für die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung im Zentrum stehen.
  • Zudem muss eine Weiterentwicklung erfolgen, die im Gegensatz zur aktuell gültigen Richtlinie evidenzbasiert zu einer leitliniengerechten Versorgung beitragen kann.
  • Nur auskömmlich finanzierte Kliniken sind attraktive Arbeitgeber, die qualifizierte Fachkräfte in ausreichender Zahl gewinnen und halten können.
  • Gemeinsam können Politik, Experten und die Selbstverwaltung die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Versorgung krisen- und zukunftssicher zu machen und patientenorientiert weiterzuentwickeln.