Ende einer Ära - Ferdinand Ulrich beendet seine Tätigkeit im Psychiatrie-Museum des kbo-Klinikum Haar
Alles begann mit dem Zivildienst, dem Ersatzdienst anstatt des Wehrdienstes: Ferdinand Ulrich begann 1970 diesen im Bezirkskrankenhaus (BKH) Haar und blieb seinem Arbeitgeber über die nächsten 50 Jahre treu. Im April 2021 beendete er seine lange Karriere und verabschiedete sich endgültig in den mehr als verdienten Ruhestand.
Zivildienst war zu Beginn der 70er Jahre noch die Ausnahme, „Kriegsdienstverweigerer“ mussten schriftlich und auch mündlich begründen, warum sie statt dem Dienst an der Waffe lieber in einem Krankenhaus ihren gesellschaftlichen Dienst leisten möchten. Ulrich entschied sich dafür, er konnte nicht nur seinen Zivildienst im BKH leisten, sondern auch seine Ausbildung als Krankenpfleger beginnen. Allein war er nicht, schließlich leisteten 50 Zivis gleichzeitig ihren Dienst im BKH: Auch privat fand Ulrich hier sein Glück, lernte er doch seine Ehefrau kennen, mit der er seither in Haar wohnt. Geheiratet haben beide am 22.4.1971, sechs Kinder und bald 11 Enkelkinder ließen das Glück perfekt werden.
Vieles war damals anders als heute, gerade die Stationen und auch die Patientenversorgung. Es war die Zeit vor der Psychiatrie-Enquete, große Stationen mit mehr als 40 Patienten waren normal. Und ebenso normal war es, dass Patienten nicht für wenige Wochen im BKH behandelt wurden, sondern teilweise über Jahrzehnte hier lebten. Es gab damals nur eingeschlechtliche Stationen. Dies änderte sich erst mit der Umsetzung der Psychiatrie-Enquete und dem langwierigen Aufbau eines ambulant-komplementären Hilfesystems außerhalb der Klinik, dass nach und nach aufgebaut werden musste. Externe Gutachten zur Versorgung psychiatrischer Patienten schlugen zudem kleinere Bereiche und die Sektorisierung vor.
Nach seiner Ausbildung folgten verschiedene Stationen im Haus, mehr und mehr Verantwortung folgten. 1990 folgte in München die Ausbildung zur Pflegedienstleitung. Kurz danach wurden die alten vier Fachbereiche A (Aufnahme, Haus12), B Rehabilitation, Soziostationen C Pflege (ca 1000 bettlägerige Patienten) D Forensik aufgelöst. Es folgte mit Hilfe von Ernst & Young eine neue Ausrichtung der Fachbereiche Nach wenigen Jahren war er Oberpfleger im Fachbereich Ost mit den Aufnahmestationen 12/4A und 12/4B und mehreren weiterführenden Stationen „Die Veränderungen durch die Psychatrie-Enquete waren spürbar, auch die Unterstützung durch das ambulant-komplementäre System, auch im Bezirkskrankenhaus änderte sich die Haltung gegenüber Patienten“, so Ulrich.
Kontinuierlich übernahm Ulrich weitere Aufgaben: Er betreute die Gastschüler und er entwickelte ein Konzept für den Welcome-day, an dem neue Mitarbeiter einen kompletten Überblick über das Haus und seine vielfältigen Angebote und Aufgaben bekamen. In diesem Zusammenhang war es ein Zufall, dass die psychosomatische Station 16/D aus Brandschutzgründen vom 2. Stock unter dem Dach ausziehen musste. So konnte er in zwei Zimmern alte Gegenstände aus der Gründerzeit sammeln. Unter anderem ein Metallbett mit einer Rosshaar-Matratze und vieles andere.
2005 fand das 100jährige Jubiläum des BKH statt: lange vor dem Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen über das ganze Jahr hinweg begannen die Vorbereitungen auf den runden Geburtstag. Die Idee, die Geschichte in einem eigenen Museum darzustellen war schnell geboren. Auf Initiative des damaligen Krankenhausdirektors Martin Spuckti begannen Ferdinand Ulrich, Alma Midasch und Günter Goller, Ausstellungsstücke im gesamten Klinikum zu sammeln und zu archivieren. Vieles kam schnell zusammen, auch dank der sehr guten Kontakte. Gesammelt wurde zunächst alles im Dachgeschoß des Hauses 16.
Die Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort gestaltete sich schwierig. Schließlich viel die Entscheidung auf die damaligen Personalratsräume auf der Ostseite der Vockestraße 76 im ersten Stock
„Wir hatten die volle Unterstützung der Direktion und konnten das Museum toll gestalten“, so Ulrich. Pünktlich zum Jubiläum wurde das Museum 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt, der Rest ist im wahrsten Sinne Geschichte: „Das kleines Museum hat sich sehr schnell etabliert, unsere Besucherinnen kamen aus nah und fern, waren jung und alt. Gerade viele Schulklassen nutzten das Museum, um sich einen Überblick über die NS-Zeit zu machen“, so Ulrich. Mehr als 26.000 Menschen haben das Museum inzwischen besucht, eine äußerst hohe Zahl für ein so kleines Museum. Als Anerkennung seiner Arbeit wurde Ulrich und dem gesamten Museumsteam 2015 die Bezirksmedaille vom damaligen Bezirkstagspräsidenten verliehen.
Jetzt, nach über 50 Jahren Dienst im Klinikum, möchte sich Ulrich mehr Zeit gönnen: für sich, für seine Ehefrau und manche Trips mit dem Wohnmobil. Und auch die Kinder samt Enkelkinder freuen sich über mehr Zeit mit ihrem Vater und Opa.
„ Ein Herzliches Dankeschön“ für die außergewöhnlich Leistung und den Aufbau eines Museums, dass viele Menschen begeistert und informiert zugleich“ fasst Geschäftsführer Franz Podechtl die Lebensleistung passend zusammen. „Ferdinand Ulrich, genießen Sie den mehr als verdienten Ruhestand – wir wünschen alles Gute“, so Podechtl.