Gedenkfeier 18.1.2019
Kein Schlussstrich - kbo-Klinikum gedenkt 25 deportierten Patienten
Haar, 18. Januar 2019.
Kein Schlussstrich beim Erinnern, kein Schlussstrich bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte, kein Schlussstrich beim Gedenken der deportierten und ermordeten Patienten, kein Schlussstrich im Streit um die Wahrheit. 25 Männer wurden am 18. Januar 1940 aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Haar nach Grafeneck deportiert und dort ermordet. Sie waren die ersten von mehr als 2000 Menschen, die in Haar in den kommenden Jahren deportiert und ermordet wurden. Andere wurden bewusst in den Hungertod getrieben, denn das Bayerische Innenministerium hatte im sogenannten „Hungererlass“ verfügt, dass Patienten in den Heil- und Pflegeanstalten so geringe Kost bekamen, dass der Hungertod unumgänglich war.
„Die 25 Männer sind in dem Glauben nach Haar gekommen, hier Hilfe und Therapie zu finden. Tatsächlich wurden sie durch namentlich durch den damaligen Direktor Hermann Pfannmüller, aber auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Tötungsmaschinerie der Nazis geschleust und dem sicheren Tod ausgeliefert“ erklärte Prof. Peter Brieger, heutiger Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikum. „Dieser geschichtlichen Verantwortung stellen wir uns, und wir tun es mit Überzeugung und tiefer Demut. Denn erst wenn wir unsere eigene Geschichte verstehen, können wir die notwendigen Lehren für unser heutiges und morgiges Handeln ableiten“, so Brieger.
Alois Dallmayr: Exemplarisch stellte Prof. Dr. Hohendorf (Institut für Zeitgeschichte und Ethik an der TU München) das Schicksal von Patienten in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt dar. Alois Dallmayr wurde 1911 erstmals in Haar aufgenommen, wenige Jahre später erneut. Versehen mit dem Stempel „ohne Nutzen und Sinn für die Volksgemeinschaft“ wurde er mit 148 Patienten nach Grafeneck deportiert und ermordet.
Eindringlich erinnerte Prof. Miriam Zadoff, Direktorin des NS-Dokuzentrums in München, an die Opfer und Täter. Es seien auf beiden Seiten Deutsche gewesen, Opfer und Täter, die Unterscheidung nach angeblichen Rassen sei eine Erfindung der Nazis. Auch die angebliche „Entnazifizierung“ nach dem 2. Weltkrieg habe in vielen Ämtern und Einrichtungen defacto nicht stattgefunden. Viele der Täter hätten nach wenigen Monaten und Jahren ihre Tätigkeit wieder aufgenommen als sei nie etwas geschehen. Umso wichtiger sei die Aufarbeitung der Geschichte, ohne Schlussstrich, um die richtigen Lehren für die Zukunft ziehen zu können, betonte Bezirkstagspräsident Josef Mederer. 2017 wurde auf seine Initiative der Arbeitskreis „Erinnerungskultur“ gegründet, der die historische Verwicklung des Bezirks und seiner damaligen Einrichtungen untersucht. „Intensiv haben wir uns mit Dr. Anton von Braunmühl auseinandergesetzt, der während der NS-Diktatur Oberarzt war. Nach Prüfung aller Akten haben wir erkannt, dass er kein Vorbild für die heutige und kommende Generation sein kann. Wir sind froh, dass Bürgermeisterin Gabriele Müller und der Gemeinderat Haar einstimmig zugestimmt haben, die bisherige von-Braunmühlstraße am 1. März 2019 in Max-Isserlin-Straße umzubenennen. Isserlin als ehemaliger Leiter des Heckscher Klinikum musste als jüdischer Bürger vor den Nazis fliehen und verdient diese Anerkennung“, so Mederer.
Künstlerisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung durch Georg Soanca-Pollak, dessen Lichtinstallation „Hinter allen Namen – alle Zukunft gründet aus dem Wissen um die Vergangenheit“ an die deportierten und ermordeten Menschen eindrücklich erinnerte. „Das Licht steht für die Seele der Menschen“, erläuterte der Künstler.